So vielfältig die Musik und erst recht die Geschmäcker sind, so unterschiedlich kann sie auch konsumiert werden. Die einen hören im heimischen Ohrensessel Klassik über einen 900 Gramm schweren Kopfhörer, andere genießen Klicks und Beats über den weißen Stöpsel direkt im Ohr in der U6 zwischen Bahnhof und Weizsäckerstraße. Meine Oma hatte allergrößte Freuden mit leichter Unterhaltungsmusik beim mittäglichen Abspülen und wieder andere lieben den Genuss herrlich lauter und verzerrter Gitarren in verrauchten Kneipen bei Bier und Zigarette. Von den vielen Spielarten des konzentrierten Nebenherhörens mal ganz abgesehen. Diese Bandbreite ist bei einem Livekonzert nicht ganz so groß, aber auch hier gibt es feine bis mittelgroße Unterschiede, schon was den Geräuschpegel oder die Beweglichkeit eines Publikums angeht…
Viel Gerede, worum solls hier eigentlich gehen? Im Kern versuche ich, die Atmosphäre beim zurückliegenden Konzert im Rahmen des Burning-Eagle-Festivals in Reutlingen einzufangen. Eine sehr besondere Stimmung für ein Indoorfestival mit 4 Bands. Sehr konzentriert, genau beobachtend, staunend, bewertend und doch auch wohlwollend und genießend. Das franz.K, ehemaliges französisches Kino und Schauplatz des Festivals, trägt vielleicht einen Teil dazu bei. Der Saal ist nicht bestuhlt aber über weite Strecken des Abend sitzt das qualifizierte Publikum dicht gedrängt am Boden. Der Abend gleicht in gewisser Weise tatsächlich einem Kinothemenabend mit vier 45-minütigen internationalen Kurzfilmen (inklusive Pausen zum Wechseln der Filmrollen).
Der „Eröffnungsfilm“ stammt vom mittlerweile in Berlin wohnhaften Lokalmatador Fabian Simon: ein kleines aber feines Trio mit Gitarre/Piano, Kontrabass und formidablem Schlagzeug. Aus meiner Sicht Entdeckung des Abends war die darauffolgende Band Emanuel and the Fear aus NYC. Für gewöhnlich zu elft (!) sind sie gerade zu sechst (und mit immernoch ungewöhnlicher Instrumentierung) auf Europatournee. Sehr hörenswert! Bevor wir als letzte Band den Abend beschließen durften – und dabei auch viele Sitzende wenn nicht gleich zum Tanzen so zumindest zum Stehen bewegten – war noch eine (um im Filmgenre zu bleiben) sehr stille und intensive Independent-Produktion aus Australien zu sehen/hören. Kat Frankie ist alleine auf der Bühne und singt „vielschichtige Songs“ (tagblatt.de) zu zartem Gitarrenspiel. Sehr intensive Musik, da bleibt viel Zeit zum Mitdenken und -fühlen.
Und just in diesem Moment, als die dichte Wohnzimmeratmosphäre quasi auf dem Höhepunkt ist, kommen wir ins Spiel. Ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass das Publikum nach drei anstrengenden Filmen zunächst nicht mehr die vollen Konzentration aufbringen konnte. Aber (ich bring das jetzt noch im Filmkontext zu Ende) nach einem verrauschten Schwarz/Weiß-Film mit finnischen Untertiteln und komplexen Handlungssträngen kann etwas leichter tanzbares dann vielleicht nochmal Kräfte mobilisieren. Man muss das ja auch alles gar nicht so ernst nehmen! In diesem Sinne…
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